Page 17 - spitäler schaffhausen - radius
P. 17

mit diesen Methoden dauerhaft geholfen werden, ein Drittel  mit verschiedenen Frequenzen gearbeitet, die beruhigend
          verbessert sich nur unzureichend oder spricht erst gar nicht  oder stimulierend wirken. «Es fällt einem natürlich das Wort
          auf die Methoden an. Zudem können psychotherapeutische  ‹Gehirnwäsche› dazu ein. Wichtig ist aber, dass nur die Er-
          Verfahren sehr lange dauern, bis sich eine Besserung ein-  krankung ‹gewaschen› wird, wenn die Person die Abweichun-
          stellt. Auch die Suche nach dem richtigen Medikament in  gen als störend empfindet, wenn sie die Lebensqualität in
          einer Dosis, die wirksam ist und möglichst wenig Neben-  Form von Depressionen, Panikattacken oder Schlafstörungen
          wirkungen mit sich bringt, gestaltet sich nicht immer einfach.  massiv beeinträchtigen», so Dr. med. Oliver Seemann. Im
                                                              Durchschnitt können bei 70 bis 80 Prozent der Patientinnen
          In besonders hartnäckigen Fällen von Depressionen können  und Patienten mit den entsprechenden Beschwerdebildern
          technisch-instrumentelle Methoden deshalb die Behandlung  deutlich messbare Verbesserungen erreicht werden. Manche
          erfolgreich ergänzen. PD Dr. med. Bernd Krämer bedauert, dass  Menschen sprechen allerdings auch gar nicht auf die Behand-
          Methoden wie Elektro-Konvulsionstherapie (EKT), im Volks-  lung an. Warum das so ist, weiss man nicht. Es ist auch noch
          mund Elektroschock-Therapie, einen derart schlechten Ruf  nicht bis ins letzte Detail geklärt, warum diese eigentlich so
          haben. «Man sieht dann fälschlicherweise Patienten/-innen  einfache Methode so vielfältigen Nutzen bringt. Messbar
          vor sich, die sich in schmerzhaften Krämpfen aufbäumen und  sind jedoch zum Beispiel die Freisetzung von Glückshormonen,
          gegen ihren Willen festgehalten werden. Eine moderne EKT  Veränderungen der Frequenzen und Ströme, Verbesserung
          läuft aber ganz anders ab. Wir wenden bei schweren psychiatri-  der Gehirndurchblutung, Anregung des vegetativen Nerven-
          schen Krankheitsbildern Elektro-Konvulsionen an, allerdings  systems sowie Verbesserung der Neuroplastizität des Gehirns
          begleitet von beruhigenden Medikamenten und unter Voll-  mit Nervenzellneubildungen.
          narkose. Die Patienten/-innen spüren nichts davon. Richtig
          angewendet ist diese Methode bei manchen Krankheitsbildern  In Deutschland wird die Behandlungsmethode seit 1993
          sehr wirkungsvoll und ohne Nebenwirkungen», so der Chefarzt.  vereinzelt eingesetzt bei depressiven Patienten/-innen, bei
                                                              denen die herkömmlichen Methoden nachweislich versagt
          Genau diese Vorteile soll auch eine in der Schweiz bisher  haben. Seit 2015 zahlen deutsche Krankenkassen diesen
          noch fast unbekannte Methode aufweisen, die der deutsche  Einsatz, in der Schweiz gibt es noch keine diesbezügliche
          Spezialist Dr. med. Oliver Seemann neu in der Breitenau an-  Regelung.
          bietet. Sie heisst transkranielle Magnetstimulation, kurz TMS,
          und ist seit vielen Jahren gründlich erforscht und im Einsatz  Der Arzt Oliver Seemann gehört in Deutschland zu den
          gegen eine Vielzahl von neuro-psychiatrischen Erkrankungen,  Pionieren in der Anwendung von TMS. Er beschäftigt sich
          allen voran Depressionen. Doch selbst gegen Alzheimer,  seit 2002 damit und setzte TMS in seiner eigenen Praxis ein.
          Multiple Sklerose oder Parkinson verzeichnet der Einsatz von  Unter dem Dach des Psychiatriezentrums Breitenau will er
          TMS erstaunliche messbare Erfolge, die von Dr. med. Oliver  nun das System noch weiter verfeinern. Mit der Unterstüt-
          Seemann dokumentiert wurden.                        zung von Künstlicher Intelligenz würde das Gerät selbstständig
                                                              erkennen, wo welche Störung im Gehirn vorliegt, und auto-
          Das Prinzip ist verblüffend einfach, die Anwendung für die  matisch in der richtigen Frequenz behandeln.
          Patienten/-innen vollkommen schmerzfrei und ohne Neben-
          wirkungen: Der Patient oder die Patientin entspannt auf  Wer sich für eine Behandlung mit TMS interessiert, kann sich
          einer Liege, an der oberhalb des Kopfes eine Stromspule an-  direkt in der Breitenau melden. In den ersten zwei bis vier
          gebracht wird, mit deren Hilfe ein Magnetfeld erzeugt wird,  Wochen ist mindestens einmal täglich eine Anwendung von
          das direkt auf die elektromagnetischen Abläufe im Gehirn  je einer halben Stunde nötig. Später kann die Behandlung
          wirkt. Diese sind bei neurologisch psychiatrischen Erkrankun-  in grösseren Abständen durchgeführt werden.
          gen im Ungleichgewicht. Das Gerät misst die Abweichungen
          im Gehirn und gibt Gegensteuerung. Je nach Störung wird


                                                                            Transkranielle Magnetstimulation radius 1/2020  17
   12   13   14   15   16   17   18   19   20   21   22